Wer ist heute der Samariter?
Ein reisender Händler wird überfallen, ausgeraubt und schwer verletzt. Hilflos bleibt er am Straßenrand liegen. Die ersten beiden, die an ihm vorbeikommen, unterlassen es zu helfen. Dabei sind sie hohe geistliche Würdenträger, Leute, von denen man soziales Engagement erwarten würde. Erst der dritte Passant hilft dem Schwerverletzten und zwar mit außerordentlich selbstlosem Engagement.
Bestimmt kennen Sie diese Geschichte. Sie steht in der Bibel. Jesus erzählte sie, um seiner Hörerschaft etwas zu verdeutlichen, das als bloße Theorie unanschaulich bleibt. Gleichnisse nennt man solche Erzählungen. Diese hier ist sprichwörtlich geworden: das Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Ein Samariter ist in unserer Umgangssprache jemand, der selbstlos und engagiert hilft. Zu Zeiten Jesu hatte die Bezeichnung eine andere Bedeutung. Ein Samariter ist einer aus Samarien, einer aus dem Ausland, der einen anderen Glauben hat. Das Gleichnis enthält damit einen Hinweis, den ins Gedächtnis zu rufen in letzter Zeit wieder besonders wichtig geworden ist: Wenn Ihr über Menschen sprecht, die Euch in Herkunft, Sitten, Aussehen und Glauben fremd sind, dann denkt nicht immer nur an die Konflikte, die es mit einigen von ihnen gibt; denkt genauso daran, wie viele von ihnen Gutes tun und sich engagiert bei euch einbringen.
Viel Schlimmes ist passiert durch Menschen, die in Deutschland aufgenommen wurden, weil sie hier Hilfe suchten - von den sexuellen Übergriffen in Köln in der Silvesternacht 2016 bis zum Mord am Polizisten Rouven Laur in Mannheim. Darüber muss gesprochen werden, es muss auch gehandelt werden. Jedoch nun so zu sprechen und zu handeln als wäre die große Mehrheit der Menschen mit ausländischer Herkunft gewalttätig, kriminell und/oder asozial, eine Belastung für unsere Gesellschaft, das ist falsch und ungerecht. Die große Mehrheit dieser Menschen ist engagiert und hilfsbereit, ein Teil unserer Gesellschaft, oft schon unverzichtbar, so manche und mancher ein barmherziger Samariter.
Andrea Zarpentin
Pfarrerin der Ev. Kirchengemeinde Mettlach-Perl