„Sie waren ein Herz und eine Seele“
Ein Prozent der erwachsenen Deutschen besitzen fast ein Fünftel des Nettovermögens im Land – dagegen hat die ärmere Hälfte der Bevölkerung, also 40 Millionen Menschen, nur gut ein Prozent des Vermögens. Fakt, keine neue Neiddebatte. Und das konkrete Erleben dazu: Von Familienalltag zum Beispiel und so unterschiedlichen Bildungschancen für Kinder. Unterschiede, die nicht einfach von Lehrern oder Schule ausgeglichen werden können. Oder dass die Tafeln in unseren Dörfern und Städten, immer mehr nachgefragt werden von Menschen, die mit ihrem Wenigen das Alltägliche nicht mehr stemmen können. Die Aufzählung kann jeder, der hinschaut, weiter ergänzen. Eine Wirklichkeit, die einem im Kleinen und Großen begegnet!
In Jerusalem – ungefähr im Jahr 35 – soll das ganz anders gewesen sein. Lukas schreibt in seiner Apostelgeschichte: „Sie waren ein Herz und eine Seele. Es war keiner unter ihnen, der Mangel hatte!“ So beschreibt er die ersten, die sich Christen, die vom neuen Weg, nennen. Denn die haben’s verstanden: sie verkauften ihren Besitz und gaben den Erlös der Gemeinde. Und jeder bekam so viel, wie er nötig hatte! Das hört sich ganz schön utopisch an. Ist vielleicht viel zu kommunistisch. Aber irgendwie auch gut. Arm und Reich zählt nicht mehr. Die Solidarität ist da, die Gesellschaft nicht gespalten! Das Gemeinsame, die Einheit steht im Vordergrund.
Nun gut, denke ich, das war damals. Vor fast 2000 Jahren. Schade, ist halt vorbei! Selbst wenn ich die Apostelgeschichte weiterlese, im nächsten Kapitel: ein Ehepaar, das nicht zum Teilen bereit ist, seinen Besitz vor den anderen versteckt. Und die ganze schöne Utopie ist dahin! Auch diese kleine Welt der ersten Christen ist nicht das Paradies.
Aber für mich bleibt trotzdem diese gute Idee, dieses Ideal einer Gemeinschaft: Solidarität – Besitz teilen – friedlich zusammen leben! Es bleibt ein Anspruch und eine Herausforderung!
„Ein Herz und eine Seele“ war auch der Titel einer deutschen Fernsehserie der 70 er Jahre. Seine Hauptfigur „Ekel Alfred“ ist mittlerweile Kult. Hier prallen immer wieder kleinbürgerlich-konservative Einstellungen überzeichnet mit idealistischen Ansätzen der 68er Bewegung aufeinander. Immer wieder ist hier die Botschaft: es geht nichts zusammen – alles triftet auseinander – die ganze Gesellschaft spaltet sich immer mehr – Solidarität kannst du suchen gehen-nur meine Meinung gilt-nur der eine Weg ist der richtige……Scheinbar hat sich bis heute nichts geändert?!?
Am morgigen „Tag der Deutschen Einheit“ ist für mich der Text der Apostelgeschichte aktueller denn je: „Ein Herz und eine Seele“ ist keine romantische Erinnerung an früher, ist keine rührselige Geschichte, die in den Bereich der Märchen gehört und ist keine kommunistisch ideologische Parole – Für mich ist das eine Herausforderung an jede und jeden in unserer Gesellschaft, an der Vision einer guten Gemeinschaft, eines friedlichen Miteinanders so vieler verschiedener Menschen solidarisch zu bauen! Rücksicht – Aufeinander hören – Wertschätzung des anderen – aus diesen Schlagworten kann Wirklichkeit entstehen – auch in unserem Land!
Christian Schöneberger
Gemeindereferent Pastoraler Raum Merzig