Eine pflegende Angehörige

Seit einem Monat kann ich es schwarz auf weiß lesen: Ich bin eine pflegende Angehörige, so wie vermutlich eine ganze Reihe von Ihnen auch. Es geht um einen relativ kleinen Umfang an Unterstützung neben meiner vollen Berufstätigkeit, der ein Teil meines Alltags und dem der ganzen Familie geworden ist, aber dennoch: Ganz Vieles ist nicht mehr so wie zuvor. Es braucht neue Abläufe, ein neues Aufteilen der alltäglichen Aufgaben, ein stetiges Abwägen, was noch geht und was nicht. Manches muss ich mir, müssen wir uns einfach „abschminken“. Die Masken fallen. Ja, ich bin belastet, ja, das Leben mit einem Angehörigen, der Unterstützung und Pflege braucht, ist nicht einfach. Ab und an wünsche ich mir die früheren unbeschwerten Zeiten zurück und ich vermute, dass es allen pflegenden Angehörigen immer wieder mal so geht.

Und dennoch hat sich auch manches zum Positiven verändert. Ich bekomme einen neuen, achtsameren Blick auf Menschen mit Beeinträchtigungen, mehr Verständnis für andere pflegende Angehörige und viel neues Wissen über medizinische Hintergründe, Therapien und die Abläufe im Gesundheitswesen. Die Beziehung zum Angehörigen wird intensiver und der Zusammenhalt in der Familie stärker. Ich erlebe sehr intensiv meine erstaunliche Kraft und Ausdauer genauso wie meine deutlichen Grenzen und meinen Bedarf an Rückzug und Erholung. Kleine Auszeiten bei einem Konzert oder einer Chorprobe, bei einem fesselnden Buch, einem intensiven Gespräch oder gemütlichem Fernsehabend werden kostbar. Es braucht nicht viel zum Auftanken, wenn ich das, was ich tue, intensiv erlebe.

Martina Zimmer

Pflegende Angehörige zu sein, ist nichts, was ich mir ausgesucht habe, wie meinen Beruf oder meine Hobbys. Es ist mir zugefallen und ich möchte es annehmen und das Beste daraus machen zum Wohl meines Angehörigen. Ich vertraue darauf, dass Gott mir und allen Pflegenden die Kraft und die Zuversicht dazu gibt!