„Auf einmal war die Kirche voller junger Leute“

„Es war unglaublich“, erzählt Pater Xandro sichtlich betroffen. „Die ganze Kirche war auf einmal voller junger Leute.“ Noch immer kann der Priester, der an der Kathedrale im französischen Amiens tätig ist, kaum glauben, was er am Aschermittwoch 2024 erlebt hat. Hunderte Jugendliche kamen an diesem Abend zum Gottesdienst, um das Aschenkreuz zu erhalten. Und das war nicht nur in Amiens so. In ganz Frankreich strömten junge Menschen am Aschermittwoch 2024 in die Kirchen.
Warum sie kamen? Das weiß auch Pater Xandro nicht genau. „Anscheinend spielten die Sozialen Medien eine Rolle“, meint der Priester und berichtet von einem jungen Mädchen, das auf TikTok zehntausende Klicks für ein Video erhalten hat, in dem es auf anrührende Weise dazu einlädt, sich einmal das Aschenkreuz zu holen.
Interessanterweise ist das Phänomen keine Eintagsfliege. In diesem Jahr kamen noch weit mehr Jugendliche und junge Erwachsenen an Aschermittwoch in die französischen Kirchen. „Ich würde gerne sagen, dass wir irgendetwas richtig gemacht haben“, meint Pater Xandro, „aber es liegt nicht an uns. Sie kommen einfach so.“
Mich haben diese Berichte aus Frankreich fasziniert. Klar kann man sagen: „Das ist jetzt wieder so ein Trend. Da steckt ja nichts dahinter.“ Aber reicht das als Erklärung? Warum kommen diese jungen Menschen, die vielfach ohne Religion und Glaube aufgewachsen sind? Kann es sein, dass Ihnen etwas fehlt? Haben sie vielleicht eine Sehnsucht nach etwas, das sich nicht mit Medien, Spaß und Konsum erfüllen lässt?
Ich traue mir keine Antwort auf diese Fragen zu. Aber ich bin überzeugt, dass unsere christlichen Feste und Rituale eine große Kraft haben. In ihnen verdichten sich die Erfahrungen von Menschen vieler Generationen mit ihrem Glauben, mit Leben und Tod, mit Trauer, Angst, Freude und Hoffnung.
So ist es auch mit dem Aschermittwoch. Er läutet die Fastenzeit ein. Das Aschenkreuz erinnert uns an unsere Endlichkeit. Es ermahnt uns, bewusst zu leben, auch mal zu verzichten, Vorsätze einzuhalten, Gutes zu tun. Vielleicht hat das die jungen Menschen in Frankreich innerlich angesprochen.
Und was kommt jetzt? Am Ende der Fastenzeit? Wir feiern die heiligen drei Tage. Karfreitag: Der Tod Jesu am Kreuz. Karsamstag: Grabesstille. Ostern: Auferstehung. Diese drei Tage sind die Grundlage unseres christlichen Glaubens. Gott liebt uns Menschen so sehr, dass uns selbst der Tod nicht von ihm trennen kann. Durch alle Tiefen geht er mit. Noch im größten Dunkel ist er unser Licht.
Was für eine Botschaft! Mit so viel Kraft und Hoffnung, die wir dringend brauchen.
Ob die Jugendlichen auch an Ostern wieder in die französischen Kirchen strömen?
Wie großartig wäre es, wenn sie die Osterbotschaft in die Welt tragen würden. Und wie viel kraftvoller wäre es, wenn wir das auch tun würden. Es könnte wirklich etwas verändern.
Dr. Thorsten Hoffmann, Jugendkirche MIA